Die Bandbreite der Arten, wie wir versuchen, aufgeregte Tiere zu beruhigen, ist groß! Der eine redet ununterbrochen auf sein vor Angst zitterndes Hündchen ein. Ein anderer fängt bei einer sich wehrenden Katze das wilde Schimpfen an. Beruhigendes sanftes Streicheln oder ablenkendes Kraulen, leise Sssssch-Geräusche oder lobendes Trillern entweicht unseren Mündern, in der Hoffnung, es möge eine Wirkung auf das sich widersetzende oder zur Flucht bereite Tier haben.
Frau Panik wird hektisch und verfolgt, emsig Sofa und Sessel verschiebend, die sich zu verstecken versuchende Katze. Endlich aufopfernd eingefangen, werden die Kratzer am eigenen Arm verbunden. Nun soll Mietz geimpft werden. Ein beherzter Griff in den Nacken soll die sich vor Anspannung versteifende Katze durch Endorphinausschüttung gefügig machen. Mietz miault kläglich, doch sind ihre Krallen diesmal nicht schnell genug. Rasch schieben geübte Hände sie in die Transportbox zurück. Daheim überkommt Frau Panik schlechtes Gewissen. Mietz verkriecht sich. Sie scheint beleidigt, oder ist sie geschockt und verängstigt? Frau Panik setzt sich vor das Sofa, unter dem Mietz sich größte Mühe gibt, unsichtbar zu werden. Frau Panik säuselt auf Mietz ein, sie möge ihr verzeihen, es sei nur zu ihren Besten gewesen. Als keine Reaktion von Mietz folgt, zieht Frau Panik enttäuscht davon, stellt ihr aber noch einen Napf ihres Lieblingsfutters vor das Sofa. Das beruhigt Mietz bestimmt, so hofft sie.
Der Rinderbauer hingegen tätschelt seiner Moni auf die Flanke und überlässt sie sich selbst. Rinder sind hart im Nehmen, das weiß doch jeder. Sie sind nicht so verweichlicht, wie die ganzen Schoß- und Streicheltiere. Während Moni sich beim betäubungslosen Ausschneiden des Hufgeschwürs im Zwangsstand windet und laut muht, hält Bauer Horst unbeeindruckt ein anregendes Pläuschchen über landwirtschaftliche Politik. Plötzlich fängt Moni wild an zu strampeln, als das Messer tiefer ins Gewebe dringt. Blitzschnell hebt Horst seine Hand und ballt eine drohende Fast vor ihr Auge. Die Kuh erschrickt und weicht den Kopf, während das Messer tiefer schneidet. Fertig! Jetzt nur noch der Verband. Horst widmet sich wieder seinem Gespräch.
Die fleißige Hundetrainerin Clara lässt ihren braven Hund Tino freiwillig auf den Behandlungstisch springen. Click! Clara füttert eine Belohnung. Dann schaut sie in beobachtender und neutraler Haltung zu, wie Trixie scheinbar unbekümmert eine Blutentnahme über sich ergehen lässt. Click! Futter. Eine Geste mit der Hand und Trixie springt vom Behandlungstisch, verharrt bewegungslos, click, Futter. Das ging aber schnell! Mit beinah unmerkbar stolz gewölbter Brust verlässt Clara mit Trixie den Behandlungsraum, während die tiermedizinische Angestellte noch staunt.
Hase Mucki ist unvernünftig, da hilft auch kein Zureden. Er zappelt mit den Hinterläufen. Hoffentlich springt er nicht aus dem Arm, fällt vom Tisch und bricht sich ein Bein! Rasch übernimmt der Profi. Mit geschultem Griff wird Mucki in ein Tuch gewickelt, sanft an den menschlichen Körper gedrückt und so fixiert. Es wird geimpft, schnell, pragmatisch, zack, fertig! Mucki wird weiterhin eingewickelt in seine Box gesetzt und schnell der Deckel verschlossen. Mucki darf nachhause. War dann doch alles nicht so schlimm.
Wallach Gismo schnaubt mit geblähten Nüstern, als die Zahntierärztin mit entschlossenem Schritt auf ihn zuschreitet und ohne zu Fragen ins Maul greift. Die gesamte Hand verschwindet im Pferd und Gismo reißt die Augen auf, weicht zurück. Die Tierärztin verkürzt routiniert den Strick und ruckt zwei drei Mal energisch daran, zack zack zack, das Halter wirkt ruckartig auf das Genick. Die Tierärztin setzt die Untersuchung fort. Das Tier erstarrt. Die Tierärztin sagt, er müsse halt gehorchen.
Die Halterin von Stute Giselle ist empört. So beruhigt man doch kein Pferd! Sie sucht sie nach einem sanften Umgang mit Tieren und möchte jeglichen Zwang und Druck vermeiden. Da sie jedoch so rasch keinen ihren Anforderungen genügenden, einfühlsamen Behandler findet, muss das Tier einige Monate ohne die erforderliche Behandlung auskommen.
Kater Frido hingegen ist eine coole Socke! Er stolziert selbstbewusst und entspannt aus seiner Transportbox auf den tierärztlichen Behandlungstisch. Spritze? Kein Problem! Tablette schlucken? Warum so viel Aufregung? Er schluckt sie einfach. War was? Frido ruht in sich, vertraut und irgendwie vermittelt er den Menschen, dass auch sie ihm vertrauen können. Er ist eben unkompliziert, friedvoll und eben ein cooler Kater. Warum können nicht alle so sein wie er?
Wer von den Tierhaltern und professionellen Tierbehandlern hat nun Recht? Die Frage lässt sich einfach nicht beantworten! Klar ist heutzutage, dass Druck und Zwang im Umgang mit Tieren nicht der richtige Weg sind! Im Notfall, wie bei tierärztlichen Behandlungen, geht es aber manchmal nicht ohne. Wir müssen uns bewusst machen, dass tierärztliche Behandlungen, aber auch andere notwendige Maßnahmen, wie Krallen schneiden, Hufe bearbeiten oder dergleichen, häufig Grenzüberschreitungen für Tiere sind. Der Körper des Tieres oder einzelne Körperteile müssen festgehalten oder anderweitig bewegungslos gemacht werden, um Verletzungen zu vermeiden. Dies erzeugt nicht selten Druck bei allen Beteiligten. Die Wege, die zu diesem Stillhalten führen, können dabei sehr unterschiedlich sein. Während einige lediglich das Ziel verfolgen, Tiere fügbar, also gehorsam und funktionierend, zu machen, zielen andere auf einen kooperierenden, das Wohlbefinden des Tieres in den Vordergrund stellenden Weg ab.
Ganz gleich, welche Methoden im Umgang mit Tieren wir verfolgen und auf welchem Weg wir versuchen, Tiere zu beruhigen, wir sollten uns bewusst machen, dass eine Reihe von Faktoren dies beeinflusst:
- Der historische und kulturelle Hintergrund, wie Menschen generell glauben, wie man Tiere behandelt
- Persönliche Erfahrungen des einzelnen
- Glaubenssätze einen selbst oder andere betreffend
- Fachwissen oder Unwissenheit
- Übung im Umgang mit Tieren
- Vermittelte Trainingsmethoden
- Die jeweilige Persönlichkeit und Vorgeschichte des Tieres
- Unsere Vorgeschichte
- Nichtzuletzt unser tagesabhängiges individuelles Empfinden und Verhalten
Nehmen wir mal an, wir sind am Wohl unseres tierischen Mitbewohners interessiert und sind uns zeitgleich bewusst, dass wir ziemlich hilflos dastehen, wenn es um das Beruhigen unseres aufgeregten Freundes geht. Was können wir nun tun? Woran können wir uns orientieren, wenn wir nach dem aktuellsten Stand des Wissens Tieren vermitteln wollen, dass sie sich nicht aufzuregen brauchen? Gibt es Empfehlungen, Trainingsmetoden oder Tricks?
Wenn wir uns interessiert Umschauen, können wir feststellen, dass wir uns in einer sehr dankbaren Zeit befinden. Vorbei sind die Tage, an denen Tieren kein Empfindungsvermögen zugesprochen wurde. Wir erkennen allgemein an, dass Tiere empfindsame Wesen sind. Wir verhalten uns vielleicht noch nicht entsprechend, weil uns entweder nicht bewusst ist, wie empfindsam diese Tiere sind oder aber, weil wir einfach noch nicht wissen, wie wir es anstellen sollen. Alte, überholte Umgangsformen mischen sich mit neuesten Erkenntnissen. Zeitgleich sind sanfte kooperierende Trainingsmethoden und Umgangsmethoden vielerorts noch nicht bekannt oder etabliert.
Wir wollen einmal schauen, nicht was veraltet und überholt ist, sondern was der aktuellste Stand ist. Wir wollen auch nicht den Finger in Wunden legen, denn wir wissen, dass wenn etwas gut ist, sich dies irgendwann durchsetzen wird und das unerwünschte sich automatisch wandelt. Wir schauen auf die Wege, die wir gehen wollen und nicht auf die, die wir nicht beschreiten wollen. Doch schauen wir auch nicht weg, wenn wissentlich Unrecht geschieht. Wir wollen Nein sagen, wenn etwas nicht zum Wohle von uns oder unserem Tier geschieht. Wir wollen aufklären, damit sich Wissen zum Wohle von Lebewesen verbreiten kann und unnötiges Leid vermindert wird. Lasst uns schauen, wie man Tiere beruhigen kann, nach aktuellstem Stand des Wissens!
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