Kapitel 10: Wendungen

Veröffentlicht am 18. Oktober 2024 um 00:00

Ein Windhauch zog durchs offene Fenster. Einige Blätter flogen durcheinander, als der kleine Waldkauz landete. Mit seinen scharfen Krallen hielt er eine gerollte Zeitung, die sich beim Aufprall auf das Fensterbrett entfaltete. Der kleine Vogel pickte mit seinem Schnabel auf das erste Blatt.

Monika nahm die Seite und blickte mit gerunzelter Stirn darauf. Dann weitete sich ihr Blick. Sie nickte und überreichte ihrem Mann Richard das Blatt. "Sie schließen die Forschungseinheit des FFEI, an dem Hugo gearbeitet hat." Dann blickte sie den ehemaligen Doktoranden in die Augen: "Du hattest ein gutes Gespür Hugo. Eine unabhängige Ethikkommission hat sich die Unterlagen der Meditations-Tierversuche noch einmal angeschaut. Woher sie die Informationen haben, steht hier nicht. Aber vielleicht haben sich ja auch andere unwohl mit den Versuchen gefühlt. Wer weiß?" Hugo sah sehr erstaunt drein und schnappte nach Luft: "Die Einheit geschlossen? Wie ist das möglich? Es ging doch alles durch die Genehmigungsverfahren. Das.....das ist ja ganz unglaublich!" "Ja, das ist es", Monika nickte und legte die Hand auf Hugos Schulter und gab ihm den Zeitungsartikel. Hugo las angespannt: "Das gibt es nicht! Die Ethiker haben sich den Versuchsaufbau und die Meditationsmethode noch einmal angeschaut und sie hinterfragt. Dann haben sie noch einen Experten für Tierverhalten hinzugezogen. Kennst du ihn?" Monik nickte: "Ja, er ist wirklich ein Mensch mit Herz und Verstand. Ich bin froh, seinen Namen hier zu lesen. Bei nächster Gelegenheit werde ich mich mit ihm austauschen." Der junge Doktorand las weiter: "Sie sind zu der Erkenntnis gekommen, dass die Meditationsmethode ein hohes Manipulationspotential hat und dass den Tieren keine freie Entscheidungsmöglichkeit geboten wird. Zudem bemängeln sie die Haltungsform und die Gefahr, dass mit den Tieren, die durch die Methode Vertrauen zum Menschen aufgebaut haben, weitere Versuche durchgeführt werden. Man hat herausgefunden, dass in ebendiesem Institut vor allem Forschung über physiologische und neurologische Abläufe im Körper untersucht werden. Standartmäßig werden hierfür Tiere getötet und danach ihre Körperteile im Mikroskop untersucht. Es ist kein Interesse ersichtlich, dass die Mitarbeiter dieses Instituts durch die Meditationsforschung mit den Versuchstieren ihre bisherige Forschung verändern würden. Die unabhängige Ethikkommission hat nun aufgrund eines Vertrauensbruchs zu dem uns bekannten Professor veranlasst, dass seine Forschungseinheit geschlossen wird. Versuche an Tieren sind ihm von hieran untersagt. Nun prüfen sie weiter, ob die anderen Abteilungen wirklich unabdingbare Versuche durchführen. Mittlerweile gäbe es Methoden, die vielversprechender seien und in die der wissenschaftliche Fokus fließen sollte." Monika sah von Hugo zu Richard. Dieser seufzte erleichtert und lächelte: "Es tut sich doch was, wenn man nur daran glaubt und drann bleibt. Wirklich schön und das auf ganz legale Weise, ohne Protestaktion von Aktivisten oder erst im Nachhinein, wenn schon alle Versuche gelaufen und publiziert sind. Es wurde rechtzeitig gestoppt! Das stimmt mich wirklich ehrleichtert. Und es zeigt, dass unser neuer Doktorand ein gutes Gespür für Integrität hat. Hugo sah erstaunt zu Richard. Dieser nickte: "Du hast richtig gehört. Es zählt nicht, was jemand sagt oder schreibt, noch wie viele Titel oder Errungenschaften er trägt. Es zählt, wie jemand Menschen oder in diesem Fall Tiere behandelt. Das ist Integrität und wir schätzen dies sehr! Du hast hiermit eine neue Stelle in Monikas Forschungseinheit. Menschen wie dich braucht die Wissenschaft und auch die Tiere brauchen dich. Gib ihnen eine Stimme, damit auch die sie hören, die ihnen nicht zuhören." Hugo wurde ganz still und senkte den Kopf demütig. "Danke" sagte er. 

Ein leises Flattern lies die Zeitung zur Seite wehen. Zweistein landete auf der Schulter des jungen Mannes, der erschrocken zuckte, dann aber doch ganz still stehe blieb. Der Waldvogel blickte in die Runde und machte sein bekanntes "Wuhuhuhuuuuu!"