"Karl-Heinz, hey Achtung, Platz da!" Mit elegantem Gleitschwung landete Schwalbe Herbert neben dem grauen Senioren. Eichhörnchen Karl-Heinz blickte langsam von seinen Karten auf, die von dem Luftstrom Herberts ein wenig durcheinander geraten waren.
Karl-Heinz war das älteste Eichhörnchen im Wald. Wie viele Jahre er schon in der Baumhöhle, die einst einem Specht gehörte, wohnte, wusste niemand. Wenn er nicht gerade verärgert nach Nüssen suchte, die er doch ganz sicher an einer bestimmten Stelle vergraben hatte, die aber doch ganz sicher jemand geklaut hatte, hockte er gemütlich bei einer Haselnusskappe voll Himbeersaft in seinem Heim und spielte Skat. So behauptete er zumindest. Dass man Skat nicht alleine spielte und die Karten auch eher nach diesem Kinderspiel, welches sich wie Ufo anhörte, wunderte Schwalbe Herbert schon, aber letztendlich war das auch nicht so wichtig, empfand er.
"Hey Karl-Heinz, hast du schon gehört?" piepste Schwalbe Herbert aufgeregt. "Hm", machte der Eichhörnsenior. "Was denn?" "Käuzchen Zweistein war wieder bei seinem Lieblingsmenschen." Das Eichhörnchen sah auf: "So so. Und, hat er Neuigkeiten?" "Ja!", Herbert hüpfte nervös hin und her und stieß dabei die Nusstasse um. Der Himbeersaft floss über den Boden und das Seniorhörnchen blickte die Schwalbe mahnend an. Der Vogel flog auf einen Ast, wo er sich eh viel wohler fühlte. "Zweistein sagt, sie haben schon mit den Versuchen begonnen. Lieblingsmensch setzt nun alles daran, Argumente gegen diese Gräultat zu sammeln." Das Eichhörnchen schlug begeistert in die Pfoten. "Das ist gut", keckerte er, "Er wird aktiv! Hoffentlich wird er genug Argumente finden. Ärgerlich nur, dass diese anderen Forscher meinen, alles beweisen zu wollen, koste es was es wolle. Selbst vor lebenden Tieren machen sie nicht halt. Und jetzt sagen sie, es seien ja nur Mäuse. Und dann? Wer weiß, welche Ideen sie als nächstes haben." Herbert flatterte auf und ab: "Ja genau! Aber Lieblingsmensch scheint sehr bemüht. Tag und sogar Nachts steht er auf, klappt dieses Computerdings auf und schreibt dann etwas auf. Zweistein hat einiges mitbekommen. Er sagt, diese Grundlagenforschung, wie sie es nennen, die ist gar nicht vorgeschrieben. Keiner muss sie machen und niemand muss sie an Tieren durchführen. Die machen das nur, weil es mehr Anerkennung unter den Forschern gibt und sie in berühmteren Zeitschriften ihre Ergebnisse veröffentlichen können. Aber es geht schon lange nicht mehr um das eigentliche Thema. Sie verändern immer nur Kleinigkeiten, dann wird es schon als veränderter Versuch bewertet und sie können an neuen Tieren testen und wieder etwas veröffentlichen. So verdienen sie Geld und müssen sich gar nicht so viele Gedanken um neue, wirklich veränderte Experimente machen. Weil das die meisten so machen und eine ganze Industrie dahinter steckt, denken alle, das müsste so sein, nur so würden neue Dinge, wie zum Beispiel Medikamente, entwickelt. Aber pass auf, Karl-Heinz, jetzt kommts! Lieblingsmensch hat herausgefunden, dass viele Firmen, die Medikamente herstellen, am liebsten auf Tierverusche verzichten würden. Sie sind zu teuer und zu zeitaufwendig und, jetzt kommt es, zu ungewiss! Es gibt mittlerweile zahlreiche Forschungsinstitute, die Methoden entwickelt haben, die sogar gesetzlich vorgeschriebene Tierversuche ersetzen konnten. Es gibt zwar in der Medikamentenforschung und Entwicklung viel zu viele Tierversuche, aber die Firmen stecken echt viel Energie in die Abschaffung hinein." Die Augen des Senioreichhörnchens wurden kugelrund und groß. Er wippte lächelnd von einem Bein auf das andere und spielte mit der Nuss in seinen Pfoten. Der Vogel fuhr fort: "Also diese Forscher aus der Grundlagenforschung, die wollen doch immer die Freiheit ihrer Forschung. Dabei sind sie so gar nicht frei in ihrem Denken. Einer plappert dem anderen nach und es ist wie ein großer Kindergarten, in dem jeder macht, was der andere macht, weil man zur Gruppe dazugehören will. Viele haben Angst, etwas komplett Neues zu machen. Dabei ist es doch genau das, was Forscher zu Forschern macht, etwas Neues, nie dagewesenes zu entdecken. Zweistein meint, eigentlich seien manche von ihnen Forscher geworden, um genau das zu machen, frei und kreativ an neuen Projekten herumzutüfteln. Aber da es auch um Geld geht, damit die Forschung weitergehen kann, machen sie das, was schon immer alle gemacht haben. Und die, die das Geld spenden, die wollen sichere Ergebnisse. Lieblingsmensch hat aber auch herausgefunden, dass es immer mehr kreative und mutige Wissenschaftler gibt, die sich hinsetzten, alle anderen machen lassen und mal in sich gehen, um herauszufinden, was man denn noch so untersuchen oder entwickeln kann. Und dann machen sie ganz wundervolle Sachen ganz ohne Tierexperimente. Manche forschen trotzdem an Tieren, aber nicht an Labortieren, die ihr Leben lang in engen Käfigen leben, um irgendwann getötet zu werden. Nein, sie untersuchen die Tiere im echten Leben. Früher hieß es, diese Versuche könne man nicht so gut vergleichen, wie exakt vorbereitete Experimente im Labor. Aber Lieblingsmensch meint, wenn man intelligent und vor allem kreativ genug ist, kann man gerade diese Forschung ohne Leid und im wahren Leben sehr gut durchführen und zu viel brauchbareren Ergebnissen kommen. Denn letztendlich wisse man ja gar nicht alle Einflüsse, die in das echte Leben hineinspielen, aber auch die muss man ja einbeziehen. Im Labor geht es nicht, im wahren Leben automatisch."
Karl-Heinz zog die Stirn in Falten. "Und was will Lieblingsmensch jetzt machen?" fragte er die kleine Schwalbe, die mittlerweile vor Aufregung ganz aufgeplustert war. "Er will selbst Experimente durchführen, aber eben ohne Leid. Außerdem meint er, dass Forschung alleine nicht alles sei, man müsse das Leben auch einfach spüren können." "Ja genau!" nickte das Eichhörnchen und sah Herbert mit tiefem Blick an: "Sag Zweibein, dass dieser Wissenschaftler auch mein Lieblingsmensch werden könnte." "Das mach ich gerne." piepste Herbert. "Und jetzt Karl-Heinz, wie wäre es mit einer Runde Ufo?...äh Skat meinte ich natürlich!" Der Eichhornsenior strahlte auf: "Aber gerne, mein Lieber. Komm, flatter zu mir und wir spielen eine Runde."
Noch bis spät in den Abends hörte man es aus dem Baumstamm keckern und piepsen. Ab und zu flog eine kleine Schwalbe aus dem Loch, um wenig später mit einer Himbeere zurück zu kommen. Ab und zu, flog auch eine Nussschale aus dem Loch. Wie lange sie noch spielten, knabberten und Himbeersaft tranken? Vermutlich länger, als den anderen Waldtieren lieb war.
Auf einem Ast saß Zweistein, blickte in die Abenddämmerung und ließ seinen bekannten Abendruf erklingen: "Wuhuhuhuhuuuuu!"
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